Zu Deinem dritten Geburtstag, im Herbst 2006

 

Liebe Lena,

 

lange hat es gedauert, bis ich bereit war, Dir diesen Brief zu schreiben.

Es ist einfach so, dass meine Gedanken Ihre Zeit brauchten, um so reif zu sein, dass ich Sie in diesem Brief an Dich niederschreibe.

Vielleicht ist es diese ereignisreiche Zeit, die mich mehr nachdenken lässt, wenn ich mit Staunen Deinen kleinen Bruder Timon sehe oder Deine große Schwester Lara, die schon ein Schulkind geworden ist.

Natürlich ist es auch die Jahreszeit, der beginnende Herbst und die Wiederkehr unserer sechs Tage, die sich so in unsere Herzen gebrannt haben, dass ich ständig an Dich denken muss.

Aber wahrscheinlich ist es die Liebe, die uns verbindet, die mit der Zeit nicht verblasst sondern immer klarer wird.

Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit, aber erst in letzter Zeit wurde mir bewusst, wie stolz ich eigentlich auf Dich bin.

Wir hatten nur die Winzigkeit von sechs irdischen Tagen, und doch habe ich dass Gefühl, einen Menschen kennen gelernt zu haben, der etwas ganz Besonderes war. Sicher, es ist nicht ganz richtig. Wir hatten neben diesen sechs Tagen ja auch diese intensive Schwangerschaft, die uns innerlich so aufgewühlt hat.

Da war Dein Zeichen, Dich nicht aufzugeben, sondern gemeinsam zu kämpfen, damit wir uns noch kennen lernen würden. Deine  übergroße Kraftanstrengung gab auch uns den Mut, an Dir fest zu halten und über uns hinaus zu wachsen. Insbesondere Deiner Mutter gabst Du Kraft, weit über die normale Leidensfähigkeit hinaus zu gehen.

Der heiße Sommer, der Deiner Mutter so viel abverlangt hat, wird auf immer in meinem Gedächnis bleiben.

Dann kam die Zeit Deiner Geburt und die sechs Tage mit Dir, die mein Bild von Dir so stark geprägt haben.

Deine Geburt war für Deine Mutter und mich schrecklich, und ich denke, dass auch Du Dir gewünscht hattest, in den Armen Deiner Mutter zu liegen und von deinem Vater bestaunt zu werden.

Aber die Umstände Deiner Krankheit ließen auch den Ärzten keine andere Wahl, als uns erst mal ohne Dich allein zu lassen.

 

Als wir Dich dann auf der Säuglingsintensivstation sahen, wusste ich gleich, dass Du etwas besonderes bist. Natürlich, Du bist mein Kind, aber da war etwas an Dir, das ich im Laufe der Tage sehr intensiv verspürte, aber erst nach längerer Zeit begreifen konnte.

Du strahltest trotz der Strapazen der Geburt und der ärztlichen Versorgung so eine Ruhe aus, ja, fast würde ich es schon als Weisheit bezeichnen.

Ein Wissen, dass die Anstrengungen uns ans Ziel gebracht hatten.

Du warst bei uns, wir konnten endlich eine Familie sein, Dich ansehen, mit Dir reden, Dich streicheln und kennen lernen.

Ob Du da schon gewusst hast, wie wenig Zeit uns bleiben würde?

 

Als wir beide dann alleine am nächsten Tag nach Köln fliegen sollten, hast Du das Ende unserer Gemeinsamkeit schon vorweg genommen.

Dein Herz hörte auf zu schlagen, die Ärzte hatten Mühe, Dich bei uns zu behalten.

Ich glaube aber nicht, dass Du schon endgültig gehen wolltest.

Du wolltest nur nicht, dass unsere Familie wieder getrennt wird.

Du hattest Deine Schwester noch nicht richtig kennen gelernt und auch noch nicht den Rest Deiner Familie und Freunde.

Damals wollte ich es noch nicht wahr haben, dass dies bereits der Anfang vom Ende unserer Gemeinsamkeit auf Erden sein sollte.

Vielleicht habe auch ich es gespürt, aber die Zeit war für mich und Deine Mutter noch nicht reif, dies hin zu nehmen.

 

Du warst so tapfer in den nächsten Tagen, bis wir begreifen konnten, dass sich unsere Wege trennen müssen.

Du warst so tapfer an all den Abenden, bei denen ich bei Dir saß.

Du hast die vielen Geräte ertragen ebenso wie die Untersuchungen der Ärzte.

Aber wir merkten auch, wie müde Du wurdest.

Verzeih uns, dass wir Dir so viel Kraft abverlangt haben.

 

Dein Fortgehen war leise, als wir Dich endlich gehen lassen konnten.

Du hast uns geführt auf diesem Weg, so behutsam, wie es Dir möglich war.

Jetzt ist es an der Zeit für mich, Dir danke zu sagen, für dieses gemeinsame Stück Weg auf Erden.

Ich bin froh, dass wir Ihn gemeinsam gegangen sind.

Denn er schenkt mir so liebe Erinnerungen an Dich.

Wo Du auch bist, fühle Dich für immer in meinem Herzen.

 

In Liebe,

Dein Papa

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