Ich habe lange überlegt, ob ich auf Lenas Seite überhaupt über dieses Thema schreiben soll, denn es ist ihre Homepage. Andererseits sind wir eine Familie und können es nicht voneinander trennen.

Dennoch habe ich ein Jahr gebraucht um darüber zu schreiben und wollte den ersten Geburtstag von Lenas kleinem Bruder als Anlass dafür nehmen.

Schon recht bald nach Lenas Tod hat mich das Thema Folgebaby beschäftigt. Natürlich war dies immer mit sehr viel schlechtem Gewissen verbunden, denn ich wollte, ja konnte doch mein Baby nicht ersetzen.

Aber der Kinderwunsch war auch nach wie vor vorhanden und natürlich auch die Sehnsucht ein Baby gesund in den Armen halten zu dürfen.

Mein Mann konnte sich damit anfangs gar nicht anfreunden und hat sehr viel länger als ich gebraucht um sich auf ein weiteres Kind einlassen zu können. Bei mir war recht schnell klar, dass ich es noch ein letztes Mal versuchen wollte.  Ich wollte zwar meiner Trauer noch Raum geben und natürlich auch meinem Körper, gleichzeitig wusste ich aber auch, dass ich, wenn ich zu lange warten würde, es gar nicht mehr wagen würde.

Es war natürlich von vorneherein klar, dass diese Schwangerschaft ziemlich belastend sein würde. Auch hatte ich ziemliche Angst davor, dass es erst einmal längere Zeit nicht klappen könnte, was natürlich eine zusätzliche Belastung wäre. Dennoch habe ich versucht mich einfach auf meinen Körper zu verlassen oder besser einzulassen und habe auch Fruchtbarkeitsbestimmungen oder ähnliches unterlassen. Wenn der Zeitpunkt da ist, dann würde es schon klappen.

So haben wir dann 7 Monate nach Lenas Tod nicht mehr verhütet. Es war Mai und für mich näherte sich der Tag an dem sich Lenas Diagnose in der 19 SSW jährte. Der Tag an dem das Trauma für uns begonnen hatte.

Ich habe noch so gedacht: "Vielleicht schickt Lena uns ja gereade jetzt ein Seelchen herunter", denn es war für mich immer klar, dass sie uns noch ein Geschwisterchen wünschen würde und darüber nicht böse wäre.

Und tatsächlich ist es so passiert. Lenas kleiner Bruder Timon ist genau um diesen Zeitpunkt herum entstanden. Es war einfach so, als wenn das so passieren sollte.

Wir waren zwar glücklich, doch auch sehr verhalten. Hinzu kam, dass ich noch immer sehr stark getrauert habe und oft Probleme damit hatte, dass ich weder Lena noch Timon gerecht werden konnte. Die Schwangerschaft war gerade in der Anfangsphase mit so viel Traurigkeit verbunden, dass ich immer wieder ein schlechtes Gewissen gegenüber dem ungeborenen Kind in meinem Bauch hatte. Aber sie gehörte nun mal zu meinem Leben, zu unserer Familie und irgendwann habe ich es immer mehr geschafft zu akzeptieren was an Gefühlen so hochkommt.

Gerade die ersten Monate waren in dieser Schwangerschaft so schwer. Da war die große Angst vor einer Fehlgeburt, die ja nun einmal sehr häufig vorkommt und natürlich davor, dass wieder ein Herzfehler auftreten könne.

Statistisch gesehen war das Risiko so hoch wie bei jeder anderen Frau auch. Toll. Was nützen da schon Statistiken? Ich habe auch anfangs von Untersuchungen wie Nackenfaltenmessungen oder ähnlichem abgesehen. Was hätte das schon genutzt? Ein Abbruch wäre für mich auch hier wieder nicht in Frage gekommen.

Als ich anfing Timon in meinem Bauch zu spüren, wurde ich sehr viel ruhiger. Irgendwie fühlte er sich so stark an und irgend etwas in mir sagte zu mir, dass er gekommen ist um auch zu bleiben.

Natürlich waren trotzdem noch ziemliche Ängste vorhanden und ich wollte auf jeden Fall eine Pränataldiagnostik so in der 22 SSW haben. Einfach um vorbereitet zu sein, falls er doch nicht gesund sei und um mich ansonsten auf eine Spontangeburt einlassen zu können. Denn nach nichts sehnte ich mich mehr.

Es war eine äußerst schwierige Zeit, denn der  Untersuchungstermin sollte unmittelbar nach Lenas 1.Todestag stattfinden.

Da wuchs die Aufregung vor der Untersuchung, andererseits fühlte ich mich von der Trauer fast erschlagen.

Alles lag so nah beieinander......

Die Untersuchung und auch die noch folgenden, um wirklich sicher zu gehen, ergaben dass Timon vollkommen gesund sei. Was ist uns da ein Stein vom Herzen gefallen.

Aber auch in diesr Schwangerschaft musste ich dann noch einmal ab der 30. SSW das Bett hüten, da sich mein Gebärmutterhals verkürzt hatte. Zum Glück aber war das zu Hause möglich, denn ich hatte keine Wehen.

Ich hatte mir schon recht früh eine Hebamme gesucht, die mich wirklich gut durch die Schwangerschaft begleitet hat und die Untersuchungen habe ich von den gleichen Ärzten wie bei Lena durchführen lassen. Irgendwie musste das für mich so sein und ich wollte auch im gleichen Krankenhaus entbinden. Hatten mich doch alle bei Lena so gut es ging begleitet....

Timons ermittelter Entbindungstermin war der 15.02.2005. Mir war klar, dass ich nicht über diesen Termin hinaus warten wollte, denn entgegen den ursprünglichen Tendenzen tat sich erst mal nichts mehr und ich erreichte auch die 40 SSW.

Aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei einem CTG war es mit meiner Ruhe vorbei und ich ließ auf natürlichem Wege von meiner Hebamme die Geburt einleiten.

Die Wehen kamen erst sehr schleppend und es hat bestimmt 20 Stunden gedauert bis es so richtig los ging, aber dafür ging es von da an um so schneller.

Zum Ende hin dann in der Pressphase kam dann doch noch einmal Unruhe auf. Timon Herztöne fielen sehr stark ab ( hinterher erfuhr ich von Michi, dass sie wohl so bei 50 gelegen haben ) und plötzlich wurde meine sonst so ruhige Hebamme doch recht ernergisch. Es wurden nochÄrzte herbeigerufen und ich habe nur gedacht, dass kann doch jetzt nicht sein, es darf doch nicht sein!!!

Auf Anfeuern meiner lieben Andrea hin habe ich Timon noch selbst herausgedrückt und uns so die Saugglocke erspart. Er war sofort wieder fit und als er da so vor uns lag, entdeckte Andrea dann auch den Grund für seine Probleme :

Timon hatte einen echten Nabelschnurknoten

Wenn ich heute darüber nachdenke bekomme ich schon wieder einen kalten Schauer auf meinem Rücken. Unter der Geburt war das Risiko wohl gar nicht so hoch, aber während der ganzen Schwangerschaft hätte dieser Knoten sich schon zuziehen können.....

Es ist gar nicht auszudenken, aber ich bin sicher, dass Timon einen guten Schutzengel gehabt hat!

 

 

 

Die erste Zeit war für uns, aber ich denke vor allem für mich eine sehr bewegte. Ich war so froh, Timon gesund in den Armen zuhalten, aber gleichzeitig erdrückte mich wieder die Trauer und noch heute bin ich sehr bewegt, wenn ich über diese schwere Anfangszeit nachdenke.

Ich hielt dieses Kind in den Armen und gleichzeitig konnte ich diese Leere spüren, die ich kannte nachdem Lena gestorben war. Ich hatte unglaubliche Angst, dass Timon etwas zustoßen könnte, vom plötzlichen Kindstod bis hin zu was weiß ich und es hat einfach Zeit gebraucht um hier wieder Vertrauen zu finden.

Gleichzeitig habe ich Lena wieder so stark vermisst.....

Ich glaube, dass Timon ein Geschenk ist und er uns wieder mit dem Leben versöhnt hat, aber die Trauer um unser kleines Baby wird immer bleiben. Mal mehr, mal weniger.

Was ich aber sagen kann ist, dass ich heute wieder, auch ohne schlechtes Gewissen, glücklich sein kann.

 

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