Kinder gehen so ganz anders mit der Trauer um, als wir Erwachsene.

Unsere Tochter Lara ist zum Glück ein sehr offener Typ und plappert immer alles aus, was ihr gerade so durch den Kopf geht. So hat sie uns sehr deutlich ihre Art der Trauer vermittelt.

Wir haben versucht von Anfang an sehr offen mit ihr zu sein und über alles mit ihr zu reden. Das begann schon damit, dass wir mit ihr darüber gesprochen haben, als wir wussten wie krank Lena ist und davon ausgegangen sind, dass sie in meinem Bauch sterben wird....

Wir hätten ihr nichts vormachen können. Sie hat ein viel zu feines Gespür für unsere Empfindungen und hätte es höchstens noch auf sich bezogen, wenn Mama und Papa so daneben sind.

Also haben wir ihr gesagt, dass Lena sehr krank ist und wahrscheinlich bald in Mamas Bauch sterben wird.

Sie wusste mit ihren damals 3 1/2 Jahren genau was wir meinten ( sie hatte kurz vorher angefangen sich mit dem Thema Sterben auseinanderzusetzen ).

Erst einmal hat sie nicht viel gesagt, man merkte nur, dass ihr kleines Köpfchen schwer gearbeitet hat. Zwischendurch schaute sie dann auch mal meinen Bauch an und sagte : Das Baby ist schon tot !!

Ich habe es dann immer verneint und gesagt, dass ich Lena ja noch spüre und sie nicht tot ist.

Ich glaube es war alles so gar nicht greifbar und vorstellbar für sie.

Oder so eine Situation, mit Personen, die von nichts wussten und Lara plappert halt so aus, dass unser Baby bald sterben wird. Wie Kinder halt so sind.

Lara hatte damit keine Probleme, höchstens wir bzw. vor allem die Personen, die so gar nicht wussten, wie sie reagieren sollten. Trotzdem war es richtig ihr das zu sagen.

Nachdem Lena dann geboren war, haben wir dafür gesorgt, dass Lara sie möglichst schnell kennenlernt. Auch wenn das mit den ganzen Geräten nicht so ganz einfach für sie war. Aber sie konnte ihre Schwester kennenlernen und einige Male sehen. Sie konnte ihre Taufe miterleben und erfahren, wie wichtig uns allen dieses Ereignis war.

Als dann klar war, dass Lena nicht mehr lange leben wird und davon die Rede war, dass ich nun endlich nach wochenlangem Krankenhausaufenthalt nach Hause komme, hatten wir das Gefühl, dass wir mit Lara noch einmal in Ruhe über Lenas bevorstehenden Tod reden müssen.

Wir hatten das Gefühl ihr noch einmal ausdrücklich erklären zu müssen, was es bedeutet, wenn Lena stirbt, dass sie dann nicht mehr bei uns sein kann.

Es war der Samstagnachmittag bevor bei Lena die Geräte abgestellt werden sollten...

Wir haben uns Lara von meinen Eltern ins Krankenhaus bringen lassen um etwas Zeit mit ihr zu verbringen und um mit ihr darüber zu reden.

Meine Schwester hatte uns noch zwei Kinderbücher über den Tod besorgt. Wir haben uns für "Der alte Bär muss Abschied nehmen" entschieden und mit ihr erst einmal dieses Buch gelesen. Irgendwann sind wir dann auf Lena zu sprechen gekommen.

Lara hat es relativ neutral aufgenommen. Ob sie es zu diesem Zeitpunkt schon verstanden hat, weiß ich nicht. Wir waren selbst viel zu bewegt...

Am nächsten Tag bin ich dann entlassen worden, ohne Lena, und meine Eltern haben uns Lara nach Hause gebracht. Sie war natürlich in erster Linie erfreut, dass Mama endlich wieder zu Hause war.

Nachdem ich ihr erzählt habe, dass Lena nun gestorben sei, hat sie versucht mich zu trösten.

Dann der nächste Tag, als wir sie in den Kindergarten gebracht haben und ein Kind nach unserem Baby gefragt hat. Lara hat sofort davon erzählt, dass unser Baby gestorben ist.

Später hat sie wohl auch den anderen Kindern erzählt, dass sie nicht traurig sei, aber Mama und Papa sehr traurig sind.

Dann kam die Beerdigung. Lara sah das mehr als so ein Fest an, dass gefeiert wird und wir haben ihr erst einmal versucht zu erklären, dass dies aber ein sehr trauriges Fest wird und wahrscheinlich ganz viele Menschen weinen werden.

Sie hat für Lena am Morgen der Beerdigung noch Bilder gemalt, die wir gemeinsam an den Sarg geklebt haben. Während der Trauerfeier war sie- ganz anders als sonst- ganz still und hat nur noch versucht ihre weinenden Eltern zu trösten und uns ständig umarmt. Sie selbst hat nicht geweint.

Kurz nach der Beerdigung sind wir mit Lara ein paar Tage weggefahren und ich glaube in der ersten Zeit überwiegte einfach nur die Freude darüber ihre Mama wieder bei sich zu haben.

Sie hat zu diesem Zeitpunkt viel mit Puppen gespielt, mir aber total oft im Spiel ihre Puppe in den Arm gedrückt mit dem Kommentar  " Mama Dein Baby", als wolle sie mich trösten.

Sie hat mich auch sehr viel beobachtet, um zu sehen wie ich so zurecht bin. Wir haben ihr immer wieder versucht deutlich zu machen, dass wir halt traurig darüber sind Lena verloren zu haben.

Erst drei Monate nach Lenas Tod begann Lara vermehrt mit Äußerungen darüber, dass sie traurig sei über Lenas Tod. Dass sie es doof findet keine Schwester mehr zu haben. Erst jetzt verstand sie, dass Lena nicht mehr kommen wird. Sie hat wohl immer noch erwartet, dass Lena irgendwann zurückkehrt.

Irgendwann kam sie dann mit ihrer Geschichte, dass sie Lena nachts immer am Grab besucht und mit ihr in den Himmel fliegt um den lieben Gott zu besuchen und dass sie dort zusammen spielen.

Ich finde das ein sehr schönes Bild.

Manchmal kamen mir Bedenken, ob es richtig war, so einen kleinen Menschen derart mit dem Tod zu konfrontieren. Aber ich weiß heute, dass es richtig war dies zu tun. Schützen konnte ich sie vor diesem Thema nicht. Nur versuchen ihr nahezubringen, dass der Tod kein Tabuthema ist und zum Leben gehört. Ich glaube, dass uns das gelungen ist.

Auch wenn es mich sehr traurig macht, dass Lara ihre Schwester verloren hat, so bin ich  stolz darauf, dass Lena ein fester Bestandteil in ihrem Leben geworden ist.

Sie spricht ganz selbstverständlich anderen gegenüber von Lena und erklärt, dass Lena ihre Schwester ist, die gestorben ist, weil sie so krank war.

Auch für Lara ist sie ein festes Mitglied unserer Familie.

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